0

KUNO RAEBER

Aus dem Nachlass I und II. Tagebücher, Korrespondenz; Gedichte, Prosa, Aufsätze. 2 Bände

Wyrwa, Christiane / Klein, Matthias
Erschienen am 10.12.2010
48,00 €
(inkl. MwSt.)

Lieferbar innerhalb 1 - 2 Wochen

In den Warenkorb
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783892354444
Sprache: Deutsch
Umfang: 1104
Format (T/L/B): 21.0 x 12.0 cm

Beschreibung

Der erste Teil der Publikation aus Raebers Nachlass präsentiert eine Darstellung seines Lebens, gefolgt von Tagebüchern und Korrespondenz. Die Tagebücher seit 1941 begleiten zuerst die Reflexionen des Luzerner Kantonsschülers, dann die Schwierigkeiten des Historikers mit Frau und Kindern in der akademischen Welt, der sich zum Dichter berufen fühlt und schließlich als freier Schriftsteller nur für sein Werk leben will und offen homosexuell ist, als das noch ein Straftatbestand war. Unterbrochen von den Jahren der Entwicklung vom Lyriker zum Prosaautor, die nur durch die Korrespondenz dokumentiert werden, berichtet das 1977 einsetzende „Tagebuch eines Greises“ von Raebers Interesse an Politik, Gesellschaft und bildender Kunst, seiner Beziehung zur Schweiz und der Rolle der katholischen Kirche. Im Alter führt er darin bis 1991 eine Auseinandersetzung mit seiner sexuellen Identität und seinem gespannten Verhältnis zur „Literazzia“, wie er die angesehenen Vertreter des literarischen Lebens nennt, die seinen poetischen Grundüberzeugungen kritisch gegenüberstehen. Die Hauptrolle in Raebers Leben und Schaffen spielt zu allen Zeiten das, was er "meine Arbeit" genannt hat, sein literarisches Werk. Der zweite Teilband aus Raebers Nachlass nimmt die sieben Kapitel des ersten Teils auf und präsentiert von den Aufsätzen aus der Luzerner Schulzeit bis zum letzten Vortrag an der ETH Zürich kurz vor seinem Tod eine Auswahl von literarischen und publizistischen Texten. Den Schwerpunkt bei den literarischen Texten bilden Gedichte, an denen sich die Entwicklung der lyrischen Formen in allen Phasen seines Schaffens verfolgen lässt. Bei diesen Texten werden auch Quellen aus dem Nachlass der Schwiegereltern herangezogen und die Einzelpublikationen in Zeitschriften in einem gesonderten Anhang präsentiert. Bei den dramatischen Formen bilden die Komödie "Der Opernabend" von 1957 und das Hörspiel "Der Tod des Diokletian" von 1966 vollständige Werke, für die der Autor keine Möglichkeit zur Publikation fand. Ab Ende der 60er Jahre werden auch Vorformen von erst später abgeschlossenen und in den Bänden 1 bis 4 der Werkausgabe publizierten Texten berücksichtigt, bis hin zu handschriftlichen Entwürfen auf Raebers charakteristischen A,B,C,D-Blättern bei Gedichten und Prosatexten. Die Auswahl der Arbeiten für Presse und Rundfunk belegt Raebers Interesse an Kunst und Theologie sowie an Gestalten, die sein eigenes Schaffen anregten, ob Wissenschaftler wie Mircea Eliade und Ernst Robert Curtius oder Künstler wie Pietro Metastasio, Cesare Pavese und Klaus Mann.

Rezension

Die beiden Nachlassbände im Spiegel der Medien:Die eigenwillige poetische Verschmelzung von Kulturgeschichte und Mysterien stand quer in der literarischen Nachkriegslandschaft. Deshalb erregte Raeber, zu Unrecht, vor allem mit seinem Aussenseitertum Aufsehen. In den Tagebüchern findet dies alles intensiven Niederschlag.(Beat Mazenauer, Tagblatt von Winterthur und Umgebung, 10. Januar 2011)Nicht nur die Lyrik, auch seine Prosa ist synchronistisch bildermalend, hier folgt nicht das eine auf das andere, es ist ein stetes Vor- und Zurückgehen, ein mehrfaches Stehenbleiben an einem Ort, ein Dreimalhinschauen. Alle Sinne will Raeber zum Ausdruck und die Sprache zum Klingen bringen, das war sein poetischer Anspruch, und daraus entstanden Verschachtelungen, Wortkaskaden und Wiederholungen, die manchmal an Thomas Bernhard erinnern.(Susanne Gmür, Süddeutsche Zeitung, 24. Februar 2011)Da suchte einer unbeirrt nach den adäquaten Formen, um die Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu durchbrechen, in einem Strom von Bildern eine unaufhörliche Bewegung am Werk zu zeigen, in der die Zeit und die Geschichte als ein einziges Kontinuum erscheinen, worin das Einst gleich viel gilt wie das Jetzt.(Urs Bugmann, Neue Luzerner Zeitung, 11. März 2011)Das Kernstück der kommentatorischen Erschließung bilden die „Lebensberichte“, die einen eigenständigen Beitrag zur Raeber-Forschung leisten. Sie gehen weit über biographische Mitteilungen hinaus, insofern sie profunde Hinweise zur Werkanalyse und zur künstlerischen Entwicklung des Autors bieten. (…) Den Weg zu einer analytischen Lektüre hat die siebenbändige Werkedition, eine gediegene Lese-Studien-Ausgabe, beträchtlich verbreitert und bestens zugänglich gemacht. Freilich kann man die Leser nicht drängen, sie nur nachdrücklich ermuntern, ihn zu betreten, und es sei ihnen versichert: Bemühungen lohnen sich, nach einigen Einleseschwierigkeiten ist einer der bedeutendsten Erneuerer von Sprach- und Prosaformen neben Arno Schmidt, dem es mit anmaßenden Kritikern ganz ähnlich wie Raeber erging, zu entdecken.(Wolfgang Albrecht, Informationsmittel (IFB) 19, 2 (Mai 2011) Digitales Rezensionsorgan für Bibliothek und Wissenschaft)Nun haben die Herausgeber Raebers Nachlass im Schweizerischen Literaturarchiv Bern ausgewertet und legen zwei gewichtige und abschliessende Ergänzungsbände vor. Eine editorische Grosstat! Sie bringt eine Auswahl der Tagebücher und Briefe, kapitelweise ergänzt um biografische Erläuterungen, die in ihrer Gesamtheit ein eigenes Buch und die erste gründliche Raeber-Biografie ausmachen, sowie bisher unpublizierte Gedichte, Erzählungen und Essays.(Manfred Papst, NZZ am Sonntag, 29. Mai 2011)Es wäre ein grobes Missverständnis, die geschliffenen Tagebuchaufzeichnungen Kuno Raebers, die im Oktober 1991, vier Monate vor seinem Tod, enden, nur als Lebenszeugnisse von dokumentarischem Wert zu betrachten. Es sind essayistische Fragmente von enormer ästhetischer Kraft, meisterhaft gefügte Prosa-Kleinode, die man zu den substanziellen Hauptwerken des Autors rechnen darf.(Michael Braun, Neue Zürcher Zeitung, 16. Juni 2011)Er war ein unzeitgemäßer Schriftsteller. Auch thematisch. Als alle anderen Autoren den Krieg und die Nazizeit aufarbeiten, wählte er historische Stoffe, „remythologisierte“ geschichtliche Schicksale mit einem rhythmischen, schwingenden Satzbau, nie linear, sondern immer simultan erzählend.(Sabine Reithmaier, Süddeutsche Zeitung, 14. Juli 2011)Dank des Engagements von Matthias Klein und Christiane Wyrwa, die mit großer Kennerschaft schon die zu Raebers Lebzeiten erschienenen Texte edierten, konnte die Werkausgabe nun mit zwei gehaltvollen Nachlassbänden abgeschlossen werden. (…) Vor allem aber bieten die Nachlassbände detaillierten Einblick in Raebers minutiöses dichterisches Verfahren. In seiner Prosa behandelt er Rhythmus und Wortwahl mit derselben Sorgfalt wie in seinen Gedichten, was sich oft in vielfachen Entwurfsfassungen spiegelt.(Sabine Doering, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21. Oktober 2011)